4. Tag, Dienstag 24. Oktober
Lefkosia - Famagousta -
(Hauptstadt über Nordküste in die östliche
Landzunge)
Eitel Sonnenschein und angenehme Temperaturen. Schön!
Frisch aufgepackt verfuhr ich mich bereits am Morgen im Gewirr der Altstadtgassen
und nach einiger Zeit fand ich erst den Grenzübergang zum nördlichen
Teil Zyperns. Dort wurde streng kontrolliert und im türkischen
Teil angekommen war alles ziemlich heruntergekommen. Das Leben schien
weniger impulsiv zu verlaufen. Kaum Autos und LKW`s bewegten sich
auf den Straßen,
was ich natürlich als sehr angenehm empfand. Ich wollte als nächstes
in die an der Nordküste gelegene Stadt Keryneia, die von den Türken
Girne genannt wird. Auf der Autobahn war auch wenig Verkehr und ein
breiter
Seitenstreifen
schien mir sicherer zu befahren, als so manche belebte Straße,
wo links kaum Raum zum Ausweichen war. Ich radelte los und sah vor mir
den langen Gebirgszug des Kyrènia, den die Autobahn
in einem Anstieg auf 300m Höhe Richtung Keryneia querte. Ein alpin
anmutender, etwa 100 km langer und max. 1000m hoher Bergrücken,
der sich fast über den ganzen Norden Zyperns erstreckt. Von dem
Höhenpunkt
auf der Autobahn sah ich hinunter in die Hafenstadt Keryneia, in die
ich das Rad hinenrollen lies. Ich fand einen wunderbar gelegenen Hafen
vor und die Burganlage St. Hilarion, wo sich die Reste des ältesten,
je gefundenen Handelsschiffes befinden. Eigentlich lud diese Stätte
zur intensiveren Besichtigung ein. Die Angaben im Reiseführer,
Keryneia sei die schönste Stadt Zyperns, konnte ich nur bestätigen.
Ich entschied mich jedoch, die Küstenstraße Richtung Osten
zu fahren um heute noch Famagousta zu erreichen. Schließlich
wollte ich wenn möglich ganz Zypern mit dem Rad erkunden.
Man hätte sich locker in jeder Stadt mit den umliegenden Sehenswürdigkeiten
länger aufhalten können, dazu reichte jedoch die Zeit nicht.
Im türkischen Teil stimmte kaum ein Ortsname mehr mit der Kartenbeschreibung
überein und ich konnte nur anhand der Kilometer erahnen, wo ich
mich etwa befinde.
So
fuhr ich weiter und kam wieder mal ins Schwärmen von der Schönheit
der Nordküste, die nur von ein paar kleinen Örtchen unterbrochen
war. Schade, dass Bauträger endlose monotone Betonburgen errichten
und die Landschaft verschandeln.
Jäh wurde ich wieder mal aus meiner Euphorie gerissen, als mich
plötzlich
ein paar Straßenköter als Tagesereignis entdeckten. Laut bellend
und zähnefletschend schossen sie plötzlich aus einem Grundstück
an der Straße. Ich beschleunigte wie selten in meinem Leben und
dachte nur noch, dass ich Hundefutter bin, wenn jetzt die Radkette
reißt.
Die etwa 300m Radsprint kamen mir vor wie eine Ewigkeit, bis endlich
der letzte Vierbeiner erschöpft aufgeben musste. Wohl dem, der
das Rad erfunden hat. Sichtlich erleichtert, mit Adrenalin in den
Beinen und schweißgebadet
wurde mir in sicherem Abstand bewusst, wie schnell doch eine unvorhergesehenes
Ereignis den Verlauf einer Reise verändern kann.
Obwohl ich heute schon viele Kilometer an der Nordküste unterwegs
war, spürte ich aufgrund der abwechslungsreichen Landschaft diese
kaum in den Beinen. Ich war von der Schönheit begeistert und einfach
zu abgelenkt. Nach jedem Küstenabschnitt boten sich mir herrliche
Blicke in atemberaubender Naturlandschaft und das kristallklare Wasser
war schön anzusehen.
Ab Neraides wurde die Straße deutlich schlechter um dann wieder
landeinwärts zu verlaufen. Mein Fully wurde ordentlich gefordert
und ich sammelte nun wieder Höhenmeter zur Überquerung der östlichen
Gebirgsausläufer des Kantara, wo es auch wieder heißer
wurde.
Atemberaubend
war der Moment, als ich bei Kairos am höchsten Punkt
ankam, und sich ein Blick auf die Ebene bei Polis bot. Selbst am Himmel
spielten sich phantastische Naturschauspiele ab, als wieder ein mächtiges
Gewitter im Süden aufzog. Bei hoher Luftfeuchtigkeit und entsprechender
Sonneneinstrahlung quoll weiter südlich schnell ein mächtiger
Gewitternimbus empor und obwohl dieser vorher noch harmlos schien,
blitzte und donnerte es kurze Zeit später. Man konnte das Meer
erahnen und nachdem ich durch die Ortschaft Polis gefahren war, freute
ich mich schon wieder auf den nächsten Strandabschnitt. Sehr
sensibilisiert reagierte ich auf jedes Hundebellen und versuchte
es von Entfernung und Richtung zu orten, um auf evtl. Angriffe vorbereitet
zu sein. Als ich bei Famagousta bei Sonnenuntergang ankam, schien
es, als ob der Himmel brennen würde.
Bis auf ein paar Tropfen war ich dem Regen diesmal ausgekommen. So ging
wieder ein toller Tag zu Ende. |