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2. Tag, Sonntag, 26.9.10 : Trebinje - Stolac - Mostar (ca. 115 km 1250 Hm Ludwig 1500)

Neben den Schauern waren auch gewisse atemrhythmische, tieffrequente Sägegeräusche von Zimmergenossen etwas schlafstörend, und die Diskussionen, wer wohl am meisten zu diesem Szenario beitrug, waren jeden Morgen sehr ausführlich. Im Nachhinein waren die letzten zwei Nächte dieser Tour, wo wir Einzelzimmer hatten, die erholsamsten.
Doch nun wieder zu unserer Radtour und zuerst zum Wetter.
Es wirkt schon fast ironisch, wo doch die letzten Monate die ganze Adriagegend mit arger Wasserknappheit zu kämpfen hatte; und nun, wo wir hier Rad fahren, schiffte es die ganze Nacht derart, als donnere ein Sturzbach neben unseren Zimmerfenster vorbei.
Man wollte seinen Augen kaum trauen, als uns im Hotel ein paar Sonnenstrahlen über den Frühstückstisch blendeten.
Es ging weiter. Die Radl aufgepackt, mit frischem Obst vom Marktplatz gestärkt, gespannt was der Tag wohl bringen würde. Ludwig hatte im Navi einen guten Track einer Nebenstraße einprogrammiert, den wir die ersten Kilometer auch fuhren. Die Luft war wie ausgewaschen, die Straße trocken, und es verhieß ein guter Tag zu werden. Nach ein paar Kilometer kamen wir an die unbelebte Hauptstraße entlang des Flusstales der Neretva. Doch das nächste Unheil nahm schon seinen Lauf. Nachdem die ersten zwei Dutzend Kilometer relativ gut verliefen, entwickelte sich unausweichlich vor uns eine tiefgraue Gewitterzelle, die sich  mit Blitzen ankündigte und nichts Gutes verhieß.
Kaum dass wir unser Regenzeugs aus den Taschen holten und überstreiften, fing es auch schon an wie aus allen Kübeln zu gießen und es platschte sintflutartig auf uns hernieder. Doch was bleibt einem anders übrig als weiterzuradeln. Ein Unterstand war nicht sinnvoll, denn man kühlte aus und kam doch nicht weiter. Besser strampeln, warm bleiben und Strecke machen; denn wenn man erst so richtig von allen Seiten her nass ist, macht das gar nicht mehr so viel aus. Nach etwa einer Stunde war dann auch das Schlimmste vorbei. Große Pfützen säumten entlang der Straße unseren Weg und die Luft war auf der Rückseite der Gewitterfront wieder mal kristallklar und ausgewaschen.
Erst bei Strujici führte uns der Track weg vom Tal entlang der Hauptstraße 6 zur ersten knackigen Steigung nach Ljubinje, wo es dann auf einem kleinen Hochplateau am frühen Nachmittag nach Stolac weiterging. Auch in dieser Stadt sind noch deutlich die Spuren des Krieges zu erkennen. Zerschossene und abgefackelte Häuser, neue große Friedhöfe mit zahlreichen Grabsteinen, wo vorwiegend Sterbedaten aus den Jahren 1992 bis 95 eingehämmert waren. Schon etwas makaber, wenn man bedenkt, dies hat alles noch vor gar nicht so langer Zeit etwa eine Flugstunde vor unserer Heimat stattgefunden.
Kaum zu glauben, es war erstmals die Sonne zu sehen. Mit deren Kraft trockneten wieder langsam unsere Kleider und wir traten Mostar auf kupiertem Terrain entgegen. Das Wetter schien zu halten und nach dem Meteobericht von noch zuhause dachten wir, wir hätten das Gröbste hinter uns.
Ein imposantes Bild bot sich uns an, als wir in schönen Himmelsfarben der Nachmittagssonne in einem großen Tal Mostar vor uns sahen. Markant am Berg westlich der Stadt ein großes Christenkreuz. Von diesem Berg aus wurde Mostar über Monate von den Kroaten mit Artillerie beschossen und die Innenstadt sowie die berühmte alte Brücke, das Wahrzeichen der Stadt, die am 9. November 1993 durch massiven Beschuss von kroatischer Seite zerstört.
Es war Spätnachmittag, als wir dort einradelten und erfreulich, als Heinz uns zu einem guten Hotel führte. So hatten wir an diesem Tag noch  Zeit, uns die größte Stadt der Herzegowina anzuschauen.
Noch sehr eindringlich wird man an den noch nicht so lange zurückliegenden Bürgerkrieg erinnert, in dem Mostar bis 2004 noch eine in kroatische - und bosnisch geteilte Stadt war. Wenn auch jetzt zumindest oberflächlich wieder alles in Ordnung ist, so sind die Völkergruppen egal ob bosnisch, kroatisch, christlich - islamisch, bis aufs Blut verfeindet, wo doch der Krieg mit den vielen Toten all die Wunden wieder aufgerissen hat. Wären hier nicht die EUFOR- Truppen und sorgten für Ordnung, so wäre der Konflikt sicherlich schon wieder ausgebrochen. Es ist nun mal ein oberflächlicher, aufgezwungener Frieden.
Abends lockte uns ein Kellner in sein Lokal. Doch lediglich der grandiose Blick auf das Wahrzeichen der Stadt, die alte Brücke, entschädigte uns  bei untergehender Sonne und später bei Nachtbeleuchtung der Innenstadt für ein mäßiges Essen.

 

Link Karte
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